Erhaltung

Allgemeine Informationen

Seit der Entdeckung der Schriftrollen vom Toten Meer sind Forscher und Konservatoren mit deren Erhaltung, Bewahrung und Dokumentation beschäftigt. Mehr als 2000 Jahre befanden sich die Schriftrollen in einer relativ stabilen Umgebung, den Höhlen der Judäischen Wüste. Durch das Entfernen der fragilen Handschriften aus denHöhlen wurden sie nicht nur ihrer gewohnten Umgebung entrissen und so ihre physische Stabilität gefährdet. Es besteht zudem immer die Gefahr, dass die Fragmente durch den Menschen weiter beschädigt werden. . In den ersten Jahrzehnten nach ihrer Entdeckung haben die Forscher die Schriftrollen aus Unwissenheit unsachgemäß behandelt und verursachten unwiderrufliche Schäden, als sie versuchten, das komplexe Handschriftenpuzzle aus Tausenden von Fragmenten zusammenzusetzen. Die israelische Altertumsbehörde (IAA) folgt heute streng reglementierten Pflegeregeln, um eine langfristige Erhaltung der Schriftrollen zu gewährleisten. Auch das laufende Digitalisierungsprojekt begann als Erhaltungsmaßnahme, in deren Zusammenhang ein Überwachungssystem für die Schriftrollen auf dem neuesten Stand der Technik entwickelt werden sollte. Die außergewöhnliche Technologie der digitalen Leon Levy Bibliothek zu den Schriftrollen vom Toten Meer soll es den Forschern ermöglichen, die Fragmente ohne physische Berührung zu untersuchen. So sollen die Texte auch für künftige Generationen bewahrt werden.

Es ist wohl primär dem konstanten ariden Klima der Judäischen Wüste bei vierhundert Metern unter dem Meeresspiegel und der konstanten Luftfeuchtigkeit und Temperatur in den Höhlen zu verdanken, dass sich die Handschriften in den Höhlen über zwei Jahrtausende erhalten haben. Durch das seit dem Jahr 1947 einsetzende Entfernen der Rollen aus den Höhlen, wurden die Schriften der großen Gefahr des Verfalls ausgesetzt. Weitere Faktoren, die den physischen Zustand der Rollen beeinflussen bzw. gefährden, sind:

  • der Transport der Rollen nach Jerusalem und die damit verbundene drastische Klimaveränderung bei 800 Meter über dem Meeresspiegel
  • das organische Material der Schriftrollen – 80% davon sind auf Leder und Pergament, 20% auf Papyrus geschrieben
  • der „Zahn der Zeit“ und die extreme Zerbrechlichkeit der Schriftrollen.
Pergament
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Foto:
Shai Halevi

Erste Bemühungen

Die ersten Wissenschaftler verwendeten Klebestreifen, um die Schriftrollen zusammen zu fügen und Risse zu verschließen. Sie legten die Fragmente ungeschützt zwischen zwei Fensterglasscheiben. Das Altern des Klebstoffs und der Druck des Glases führten dazu, dass die Häute verdunkelten und ihre Ränder gelierten. In der Folge wurden einige Texte unleserlich.

Zwischen Glasscheiben gepresste Rollenfragmente

In den 1960er und 1970er Jahren begann man damit, die zuvor zugefügten Schäden an den Schriftrollen rückgängig zu machen. Die Glasscheiben wurden geöffnet und die Klebestreifen und Flecken zu entfernen versucht. Dabei wurden bedauerlicherweise weitere Schäden an den Fragmenten verursacht.

1950er/1960er Jahre: Die Fragmente werden sortiert, verschiedenen Handschriften zugeordnet und in mehr als 1200 Glasscheiben eingeschlossen. Unterschiedliche Anordnungsphasen der Fragmente auf den Glasscheiben sind durch Infrarotaufnahmen dokumentiert. Diese Infrarot-Negative werden als PAM (Palestine Archaeological Museum)-Negative bezeichnet und umfassen die Archivnummern 40.059 bis 44.361.
Die frühen 1960er Jahre: Erste Erhaltungsbemühungen und die Erstellung eines Berichts über den Erhaltungszustand der Fragmente durch das British Museum.
1967: Inventarisierung der Glasplatten mit Fragmenten. Die Platten werden von 1 bis 1261 nummeriert.

Links: In den 1960er Jahren wurde „British Museum Leather Dressing“ angewendet

Rechts: In den 1970er Jahren wurden Reispapier und Plexiglas-Klebstoff verwendet, um Fragmente zu reparieren
Oben: In den 1960er Jahren wurde „British Museum Leather Dressing“ angewendet
Unten: In den 1970er Jahren wurden Reispapier und Plexiglas-Klebstoff verwendet, um Fragmente zu reparieren

1970er Jahre: Behandlung von Hunderten von Glasplatten durch das Israel-Museum.
1989: Vollständige Inventarisierung der Schriftrollen-Fragmente, einschließlich der Fotografien, der Bestandsnummern und des Publikationsstatus.
1991: Die IAA beginnt mit der Dokumentation und Bearbeitung von Tausenden der zu ca. 900 Handschriften gehörenden Schriftrollenfragmenten und wird bei dieser Maßnahme von internationalen Experten unterstützt, die auf Bewahrung und Erhaltung spezialisiert sind.

Klima-kontrollierter Aufbewahrungsraum in den Einrichtungen der IAA
Foto:
Shai Halevi

Gegenwart

Im Jahre 1991 hat die IAA begonnen, sich mit Experten zu beraten, die auf die Erhaltung und Bewahrung von Handschriften spezialisiert sind. So sollte die beste Lösung gefunden werden, um den Verfall der Schriftrollen zu verlangsamen. Experten, die vom Getty Conservation Institute unterstützt wurden, berieten die IAA bei der Einrichtung und Steuerung eines speziell für die Erhaltung und Bewahrung der Schriftrollen geschaffenen Konservierungslabors und Lagerraumes. Angesichts der jahrzehntelangen Schäden bestand die wichtigste Aufgabe des Labors darin, die Reversibilität aller jetzigen Erhaltungsmethoden sicherzustellen, um künftige unbeabsichtigte Schäden zu vermeiden.

Die IAA errichtete eine zusätzliche klimakontrollierte Aufbewahrungs­einrichtung, um die unschätzbaren PAM Infrarot-Negativabbildungen zu beherbergen. Auf diesen Fotos sind die Fragmente abgebildet, wie sie in den 1950er und 1960er Jahren aufgefunden wurden. Die Aufnahmen dienten als Grundlage für die offizielle Publikation der Schriftrollen.
Najib Albina beim Fotografieren von Schriftrollenfragmenten in den 1950er Jahren

Eine der Besonderheiten dieser Einrichtung ist die Klima-Steuerung. Fachleute haben dafür Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Lichtverhältnisse in der ursprünglichen Heimat der Schriftrollen, den Höhlen in der Judäischen Wüste, untersucht und ausgewertet. . Die Idee war es, eine Umgebung zu schaffen, die die Bedingungen in den Höhlen imitieren würde und dabei die durchschnittliche Luftfeuchtigkeit und Temperatur beibehält, , in der die Schriftrollen sich über 2000 Jahre erhalten haben.

Die IAA errichtete eine zusätzliche klimakontrollierte Aufbewahrungs­einrichtung, um die unschätzbaren PAM Infrarot-Negativabbildungen zu beherbergen. Auf diesen Fotos sind die Fragmente abgebildet, wie sie in den 1950er und 1960er Jahren aufgefunden wurden. Die Aufnahmen dienten als Grundlage für die offizielle Publikation der Schriftrollen.

Die IAA gründete ein entsprechendes Labor, in dem Fachleute, die ausschließlich für dieses Erhaltungsprojekt geschult wurden, mit der Aufnahme und Bewahrung von Tausenden der fragilen Handschriftenfragmente begannen. Sie machten sich an den langwierigen und noch andauernden Prozess, den Klebstoff der vorherigen Behandlungen aus den 1950er und 1960er Jahren zu entfernen.

Das Entfernen von Klebeband mit einer Pinzette

Jedes der Tausende Fragmente benötigt besondere Aufmerksamkeit sowie regelmäßige Behandlung und Pflege. Die Konservatoren protokollieren die detaillierte Zustandsbeschreibung jedes einzelnen Fragments: Wie klein es auch immer sein mag, wird jedes einzelne Fragment fotografiert und dokumentiert. Dabei werden die Angaben über den Erhaltungszustand in eine IAA-Datenbank eingepflegt.

1993: Die Schriftrollen vom Toten Meer auf Mikrofiche, herausgegeben von Emanuel Tov und Stephen J. Pfann, werden veröffentlicht (Leiden, Brill)

1997: Die elektronische Verweisbibliothek der Schriftrollen vom Toten Meer, The Dead Sea Scrolls Electronic Reference Library, wird auf CD-ROM veröffentlicht, herausgegeben von Timothy H. Lim und Philip S. Alexander (Leiden, Brill)

2006: Brigham Young University veröffentlicht eine überarbeitete Ausgabe der Dead Sea Scrolls Electronic Library (DSSEL), herausgegeben von Emanuel Tov und Donald W. Parry (Leiden, Brill)

Die IAA steht in ständiger Beratung mit Fachleuten über die Erhaltungsmethoden der Schriftrollen. Im März 2012 lud die IAA ein internationales Komitee von Experten für Pergament und Papyrus ein, um die Arbeitsverfahren neu zu bewerten und schwierige Fälle in den Griff zu bekommen, wie z.B. Fragmente, die immer noch zwischen Glasplatten aufbewahrt werden, oder die Zersetzung der Tinte und Delamination von Pergament.
Konservatoren bei ihrer Arbeit im IAA-Labor für die Erhaltung der Schriftrollen vom Toten Meer
Foto:
Shai Halevi
Konservatoren bei ihrer Arbeit im IAA-Labor für die Erhaltung der Schriftrollen vom Toten Meer
Foto:
Shai Halevi
Die IAA steht in ständiger Beratung mit Fachleuten über die Erhaltungsmethoden der Schriftrollen. Im März 2012 lud die IAA ein internationales Komitee von Experten für Pergament und Papyrus ein, um die Arbeitsverfahren neu zu bewerten und schwierige Fälle in den Griff zu bekommen, wie z.B. Fragmente, die immer noch zwischen Glasplatten aufbewahrt werden, oder die Zersetzung der Tinte und Delamination von Pergament.

Ausstellungen

Mit dem weltweiten öffentlichen Interesse an den Schriftrollen wurde auch die Forderung einer Ausstellung dieses universellen Kulturerbes laut. Die IAA arbeitet daran, die Schriftrollen international auszustellen.Dabei liegt das Hauptaugenmerk jedoch immer auf den angemessenen Klimabedingungen und der Sicherheit der Schriftrollen.

Die IAA hat die Schriftrollen zuerst Mitte der 1990er Jahre in der Library of Congress ausgestellt. Die Abteilung für Bestandserhaltung der Library of Congress hat die IAA bei der Entwicklung spezieller Kapseln unterstützt, in denen die Schriftrollen während der Reise verpackt werden können, um die Klimastabilität für die Dauer des Transports und der Ausstellung zu gewährleisten.

Die Schriftrollen wurden seitdem bereits an über 30 Orten weltweit ausgestellt, von Amerika bis Japan und von Europa bis Australien. Überall ist es erforderlich, sich an die striktesten Regeln zu halten, z.B. die Bereitstellung klimatisierter Vitrinen und die Überwachung der Beleuchtung. Die Schriftrollen werden nach dem Rotationsprinzip ausgestellt: Jede Schriftrolle, die drei Monate lang ausgestellt wurde, muss mindestens ein Jahr lang „ruhen“, bevor sie wieder auf Reisen geht. Für derartige Ausstellungen der Schriftrollen vom Toten Meerbesteht eine stete Nachfrage aus aller Welt.

Ausstellung der Schriftrollen vom Toten Meer in Brasilien

Digitale Erhaltung

Im Jahre 2007 versammelte die IAA ein internationales Komitee von Sachverständigen, um über die Verwendung von Spektral-Imaging zur Überwachung des Schriftrollenzustandes zu beraten. Bis zum Jahr 2008 hatte die IAA ein spezielles Studio gebaut und ein Pilotprojekt durchgeführt, um den Arbeitsumfang in Bezug auf Zeit, Arbeitsschritte, Personal, Technologien und Mittel zu bestimmen. Dr. Gregory Bearman, früher ein wissenschaftlicher Mitarbeiter an desJet Propulsion Laboratory am California Institute of Technology, wurde zum Berater für die Imaging-Technologie berufen, während Simon Tanner vom King’s College London die Datenverwaltung des Pilotprojektes übernahm.

Durch die frühen Leistungen des Komitees und mehrere erfolgreiche Pilotprojekte angeregt, ist die IAA zur Zeit mit einem fortgeschrittenen und großangelegten Digitalisierungsprojekt beschäftigt, das als Teil der Erhaltungsmaßnahmen der Schriftrollen initiiert wurde. Das Projekt, das den Namen „digitale Leon Levy Bibliothek zu den Schriftrollen vom Toten Meer“ trägt und großzügig von der Leon Levy Stiftung und den Arkadia Fonds unterstützt wird, umfasst die Überwachung und die Herstellung von Farb- und Infrarotaufnahmen der Schriftrollen in höchstmöglicher Qualität. Nach dem formellen Abschluss der Schriftrollenveröffentlichung beabsichtigt die IAA, alle digitalisierten Aufnahmen der Schriftrollen samt Transkriptionen, Übersetzungen, Kommentaren und einer detailierten Bibliographien hochzuladen, um sie so frei zugänglich zu machen.

Die Abbildung der Psalmenrolle enthüllt unleserliche Buchstaben